Sonntag, Januar 17, 2010

2010 - Zeitalter der Technisierung vs. traditionelle Kunst

Erstmal an alle Leser ein frohes, neues Jahr!

Mich hat das technisierte Zeitalter heute doppelt erwischt. Zum Einen hat unser Minimum 12Jahre alter Fernseher heut morgen endgültig den Geist aufgegeben. Obwohl ich glaube, dass es nur ein Wackelkontakt zwischen der Schaltplatine und der Bildröhre ist, der das Teil simpel am Angehen hindert, wird eine Reparatur wohl teurer und aufwendiger als einfach beizeiten einen neuen zu kaufen. Schon schade, denn irgendwie kann ich mich nicht von meinem Klotz trennen, denn er begleitet mich schon ewig... Hm, nun denn. Also habe ich heute Wintersport via Livestream gesehen und zwischen diesem und dem Worddoc hin und her geklickt, nebenbei für die Examensarbeit gelesen und exerpiert und dann mal wieder auf das andere Fenster geklickt, um den Zieleinlauf von Maria Riesch anzuschauen. 

Tja, nachmittags bin ich dann halb deprimiert, halb in Hochstimmung (Ja, sowas geht... hab mich eben über das Schneegestöber und den Arbeitsfortschritt gefreut und war gleichzeitig enttäuscht, weil ich weder eine DVD sehen, noch Playstation spielen, noch irgendetwas peripher wichtiges im Fernsehen sehen kann. :/) mit den Hunden in den winterlichen Wald spaziert. Der Ausblick über die Stadt, die sich einem vor allem im Winter vom höchsten Punkt aus bietet ist einmalig. Gerade jetzt sieht es aus, als hätte irgendwer Kiel mit einer Schicht Puderzucker zugedeckt und kein Laut dringt von der eingefrorenen Stadt an das Ohr des Spaziergängers. Schliddernd, rutschend und laut lachend bin ich durch zentimeterdicken Schnee gestolpert, gerannt und getobt und war - genau wie meine Fellknäule - rechtschaffen erschöpft, als wir alle wieder die Wohnung erreichten.

Anschließend habe ich erfolglos die Biathlon-Staffel der Herren per Livestream angefeuert und eine Stunde die Augen zugemacht. Dann kam ich - nach dem Ende der Übertragung - auf die Idee, mal wieder das völlig zugestaubte CD-Regal durchzusuchen, um mir hörbare Hintergrundgeräusche für die ganze doofe Schreibarbeit zu besorgen. Mann, wann habe ich das letzte Mal eine kleine silberne Scheibe in der Hand gehabt? Das ist wirklich saulange her... da aber die externe Festplatte mit der ganzen Musi gerade ebenfalls streikt, muss man sich eben zu helfen wissen.

Also, mal wieder die gute alte Bandits-CD eingeworfen und lächelnd und mitsingend weitergearbeitet. Es hat eben auch Vorteile, wenn der Fernseher nix mehr von sich gibt...

Tja, der zweite Technikausfall ist ein wenig nerviger. Wenn man die Uniseite anwählen will, weil man zum Beispiel auf den Online-Katalog der UB zugreifen will, dann bekommt man nur eine Meldung, die einem mitteilt, dass das gerade nicht geht, weil es im Rechenzentrum gebrannt hat (!), die Kripo am Montag die Ermittlungen aufnimmt (!) und erst anschließend damit begonnen werden kann, den Serverausfall zu reparieren und damit die Benutzung der HP wiederherzustellen. Na, was ein Spaß. Ich brauche ja nur Bücher - vielleicht suche ich einfach jedes der gefühlt eine Million Regale so ab, um meine Werke zu finden... an solchen Tagen wünsche ich mir den guten alten Zettelkatalog zurück, der es mir auch ohne jede Technik ermöglicht eine Signatur zu finden, unter der ich ein Buch finde!

Da ja alle Technik ausgefallen ist, die den Uniserver benötigt, werde ich morgen auf der Arbeit auch nur Dinge tun können, die nix mit dem PC zu tun haben... ich kann keine Mails versenden, ich kann nichts recherchieren, ich kann nix einarbeiten oder löschen... ich kann aber Kartonweise Papier aus dem Keller herausschaffen, Bücher aussondern und die Inventarnummern per Hand aus den entsprechenden Stellen streichen. Was ein Spaß!

So, nun aber genug gemeckert... ich empfehle jedem, dessen Fernseher ausgefallen ist und dessen Bücherregal bald nichts neues mehr bieten kann, sich einfach mal auf den Weg ins Thalia zu machen und Othello zu sehen. Das Stück war großartig, Stoff für einige Running Gags und wirklich einzigartig. Die Schauspieler brüllen sich gegenseitig auf der Bühne so etwas zu wie "Jetzt wird zurückgefickt!", alte Damen schnauben empört, Herren mit Hörgeräten bekommen große Augen und überall hört man geflüsterte "Hat der das gerade gesagt? Hast du das auch gehört?". Dabei ist nur Shakespeares Sprache, die damals Anfang des 17. Jahrhunderts zu Buhrufen und Empörung in den Theatern führte, nur in die heutige Zeit transportiert worden. "Bordsteinschwalbe" wird mit "Nutte" übersetzt, "Mohr" mit "Schoko" oder dem abfälligen "Nigger" - je nach Gefühlslage und Gesprächspartner... ich finde das gut, denn das gibt dem Stück in der heutigen Zeit seine Aussage zurück und streicht diesen romantisch, verklärten Aspekt, der Shakespeare für die heutige Generation so verstaubt und langweilig macht!

Ich hatte wirklich einen schönen Abend, um es kurz zu machen; die Alster sieht im Dunkeln noch beeindruckender und schöner aus, als im Sonnenschein. Die riesigen Eisschollen taten ihr übriges für den Eindruck. Das beleuchtete Hamburger Rathaus lässt immer mein Herz rasen und efüllt mich mit Stolz. Ich, die ich meine Examensarbeit über die Hansestadt Lübeck schreibe, muss immer lächeln, wenn ich durch die Altertümer der einstmals "kleinen Schwester" streife... als norddeutsche Seele fühl ich mich in Hamburg und Lübeck einfach Zuhause und werde immer wieder gepackt und erfüllt von dem patriotischem Geist, den schon Bismarck den Norddeutschen zusprach.

Das zweite Stück - die Marx-Saga -  war auch wirklich gut. Zwar hat es keinerlei Spannungsbogen, aber die Inszenierung und das zu Grunde liegende Konzept Marx in die heutige Zeit zu versetzen, macht das Stück wirklich sehenswert. Die Schauspieler erbringen unglaubliche Leistungen auf der Bühne, spielen so überzeugend und immer mit dem hintergründigem Augenzwinkern, sind so drin in ihren Rollen, dass man einfach weiß, warum das Thalia als Deutschlands bestes Theater bekannt ist.

Nun denn, ich werde jetzt mal das Telefon fragen, ob es heute noch einen Ton von sich geben will und mich dann meinem Trudi Canavan-Roman widmen.

In diesem Sinne - Wusstet ihr, dass das Hamburger Rathaus 6 Zimmer mehr hat als der Buckingham Palace? - Tigga.