Dienstag, Januar 16, 2007

Den Kopf leer machen

Ja, ich werd's einfach posten, vielleicht schlafe ich dann eine Nacht mal wieder normal.
Seit Tagen wache ich nachts schweißgebadet auf, heule dann erstmal ohne Grund und erst so langsam dringt der Grund wieder in mein Gedächtnis. Der Traum. Das, was sich da gerade vor meinem geistigen Auge abspielte, nur, dass es nicht meine Phantasie ist, die mich zum Wahnsinn treibt.
Seit Tagen träume ich von meinem Vater. Träume davon, wie er sich im Endstadium der Krankheit die Treppe hochschleppte, wie er dann völlig entkräftet auf's Sofa fiel und trotzdem nicht von der Zigarre ließ und trotzdem nicht von der Arbeit lassen konnte. Vor ihm auf dem Sofatisch liegt die übliche Zettelage. All diese kleinen Fetzen und Fetzchen Papier, über und über voller Zahlen, Rechnungen, Statistiken, Börsenkurse, Provisionsrechnungen und schließlich und endlich immer wieder die Rechnung, wie man all die anfallenden Kosten zahlen und gleichzeitig auch noch leben konnte. Das Lächeln, das über sein Gesicht huscht, wenn er eine neue Rechnung fertig hat, die Schweißtropfen auf der Stirn und die nächste Zigarre im Anschlag. Dann seh ich wieder diese unzähligen Nächte vor mir. Wenn ich aufwachte, weil er vor Schmerzen schrie - und es gehörte einiges dazu, bevor mein Vater schrie. Dann kommen wieder diese Bilder von meiner Mutter, die mich aus dem Schlafzimmer scheucht. Ich soll meinen Vater nicht so sehen. Ich soll nicht die Schmerzspritze sehen, die Tabletten, von denen ich dachte, man könnte sie nicht in einem Stück schlucken. Später dann diese letzte Autofahrt und die Auswirkungen der Metastasen, die langsam aber sicher das Gehirn befielen. Wie mein Vater ständig von der Spur abkam und ich zwei Stunden lang unglaubliche Panik schob, weil wir dem Straßengraben mehr als einmal wirklich, wirklich nahe waren. Und schließlich kommt das schlimmste von allen Bildern: meine Mutter zusammengesunken neben dem Telefon, der noch immer das düt-düt von sich gibt, das man unweigerlich hört, wenn der andere aufgelegt hat, mein Onkel, der mich mit leerem Blick anstarrt und schließlich dieser Satz, den ich nie vergessen werde: "Dein Vater ist eingeschlafen."
Heute bin ich mir auch bewußt geworden, warum ich das die letzten Tage immer wieder träume. Mein Vater wäre Freitag 70 geworden. Wäre sicherlich ein großes Fest geworden. So wird es ein Tag sein, wie jeder andere. Einer, an dem ich besser nicht meine Mutter anrufe, weil wir uns eh nur gegenseitig runterziehen und einer, an dem ich sie eh nicht erreichen würde, weil sie mit Kopfschmerztabletten und schlimmsten Migräneattacken im Bett liegt. Wie jedes Jahr.
Manchmal ist es wirklich schlimm und mir kommen einfach so die Tränen, wenn ich an irgendwas denke, was wir gemeinsam getan haben. Zum Beispiel an die endlosen Partien Monopoly (Mein Vater konnte einfach nicht gewinnen... einmal nur hat er es geschafft und er forderte ständig "Revanche!") oder an die kleine Robbe, die uns beim Angeln begegnet ist und direkt vor uns im Wasser schwamm und mit einem Fisch spielte oder an die vielen Sachen, die mein Vater mir beigebracht hat, an all das, was er mir über die Welt erklärt hat und wenn ich an das denke, was er nicht mehr kann, ja, dann wird es noch schlimmer. Abi war schlimm. Keiner, der mit mir zum Abiball ging. Vati war "verhindert" und Mutti konnte nicht, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte. Ich bin dann auch nicht gegangen. Meine Hochzeit wird schlimm, obwohl ich denke und hoffe, dass ich zu sehr abgelenkt bin, um daran zu denken. Obwohl, wie ignoriert man die Tatsache, dass man sich jemand anderen suchen muss, der einen zum Altar hin und seinem Ehemann zu führt? Nun, darüber muss ich mir ja keine Gedanken machen, denn das dauert ja noch etwas. Trotzdem: es tut weh und es tut wahrscheinlich bis inklusive Freitag weh und dann erst wieder Mitte Februar. Was soll's. Da muss ich durch. Mitleid kann ich übrigens gar nicht leiden... Jedem von uns fehlt irgendwer. Auch wenn es kein Verwandter ist. Tja, nehmt's mir nicht übel, sollte ich mies drauf sein. Passiert halt.

*durchatmet* So, erfreulichere Themen. Die Vögelchen machen Krach und das lenkt mich ab. Total schön, ihnen zuzuschauen, wie sie so durch ihren Käfig flattern und lange wird es ja auch nicht mehr dauern, bis sie durch das ganze Zimmer fliegen können, im Flug miteinander spielen können und mir dann noch mehr Freude machen.
Pyro konnte ich heute endlich von seinem Pulli befreien. Abgesehen davon, dass der Hund dämlich aussah und mindestens doppelt so dick wirkte, fing der Pulli auch langsam wirklich an zu miefen... Nun wirkt der Gute, na, wie soll ich sagen... aber er wirkt irgendwie nackt auf mich. Klar, Hunde können nicht nackt sein, schließlich haben sie Fell, aber so ganz ohne den mittlerweile so vertraut (miefenden *grins) Pulli, sieht er irgendwie unangezogen aus. was er ja auch ist :) .
So, zurück an die Arbeit. In der Küche warten noch ein paar Dinge auf mich, die abgewaschen werden wollen und das Abendessen macht sich auch nicht von alleine.
Bin ja mal gespannt, was bei meiner Email bezüglich einer Bleibe für mich und einen Freund im März herauskommt. Hoffentlich kann sich die gute Dame, die ich da angeschrieben habe sich erweichen lassen uns für zwei Wochen ihr Zimmer im Studentenwohnheim in Hamburg zu überlassen. Mal schau'n.
In diesem Sinne - macht euch nen netten Abend ;) - Tigga.

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